»›Die Mädchenwiese‹ garantiert auch
bei 36 Grad stramme Gänsehaut.« Nina George, Focus

Im Interview: Omid Paul Eftekhari


Omid Paul Eftekhari

Omid-Paul Eftekhari wurde 1975 in Isfahan/Persien geboren und ist ab 1980 in Deutschland aufgewachsen. Nach dem Studium der Kunstgeschichte in Marburg und Münster mit Schwerpunkt der Architektur und Skulptur des Mittelalters und der Renaissance erlernte Omid-Paul Eftekhari das Handwerk des Steinmetz und Steinbildhauers und war viele Jahre als Restaurator tätig.
Irgendwann jedoch zog es ihn in Richtung des Sprecherfaches und er organisierte sich seine Sprecherausbildung selbst, indem er zahlreiche Seminare und Workshops besuchte, immer noch kontinuierlich Unterricht nimmt und beständig an seinem großen Ziel, der Sprechertätigkeit, arbeitete.
Seit März 2017 ist Omid-Paul Eftekhari nun selbstständig und seine Stimme ist in Lesungen, Kurzgeschichten, Hörspielen und Hörbüchern zu hören - aktuell in meinem Thriller Die Mädchenwiese.
Ich habe Omid zum Gespräch getroffen.

Omid, vermutlich hast Du die Frage schon einige Male gestellt bekommen, aber ich kann nicht anders: Wie kommt man von Kunstgeschichte, Architektur sowie der Steinbildhauerei und Restaurierung ausgerechnet ins Sprecherfach?

Omid-Paul Eftekhari: Naja, tatsächlich hat das alles nichts miteinander zu tun. Außer, dass ich gelernt habe, zu beobachten und genau hinzusehen und ein sehr plastisches Vorstellungsvermögen entwickelt habe. Vielleicht sehen andere Menschen hierbei deutlichere Bezüge. Alles, was vor dem Sprechen war, hatte seine Zeit.
Jetzt ist die nächste Zeit, in die ich mich ganz und gar und ohne Zweifel reinstürze und meine ganze Leidenschaft und Lust in diesem Herzensberuf lebe. Und die Stimme ist ein Geschenk, sie funktioniert schon ganz gut, verträgt aber auch noch viel Training und Ausbildung. Da entsteht Mannigfaltigkeit in einer Einheit, die mich glücklich macht.
Ich möchte Menschen mit auf Reisen nehmen. Lesen und Hören ist Reisen in die ganze Bandbreite der (eigenen) Phantasie. Es liegt mir am Herzen, Menschen den Zugang zu Phantasie, zu Literatur und zu ihren eigenen Facetten zu erleichtern und zu ermöglichen. Ich wurde und werde dadurch bereichert und möchte diesen Schatz teilen, damit er größer wird. Von Shakespeare soll der Satz stammen: »Wir glauben zu wissen, wer wir sind. Aber wir haben keine Ahnung, wer wir sein könnten.« Als Sprecher und Erzähler bin ich immer wieder mein eigener Grenzgänger und Entdecker von Neuem, Fremdem, Altem. Das ist doch eine schöne Einladung!
Wie bin ich in's Sprecherfach gekommen? Durch eine gehörige Portion Mut, an Dummheit grenzendes Unwissen, Lust, Neugierde, Offenheit und Dickköpfigkeit meiner selbst - und die unglaubliche Unterstützung von Menschen, die unendlich großzügig und freigiebig mit mir geteilt und mich gefördert und herausgefordert haben. Es ist einfach einer der schönsten Berufe, die ein Mensch in stiller Demut und Dankbarkeit und gleichzeitig in maßvoller Eitelkeit und einem gewissen Darstellungsbedürfnis laut klingend ungestraft ausleben darf.

Vertonung von Hörbüchern, Kurzgeschichten, Lesungen, Filmsynchronisierung – war das für Dich von Anfang an klar? Oder liebäugelst Du auch mit der Schauspielerei, Theater und Film?
Omid-Paul Eftekhari: Mein Schwerpunkt - wenn ich das nach einem halben Jahr Arbeit überhaupt so sagen darf - ist das Hörbuch. Das darf sehr gern sehr lange meine erste und längste Arbeits-Liebe sein.
Ich habe kürzlich eine sehr coole Hörspielrolle in einer sehr ansehnlichen Produktion einsprechen dürfen. Das ist eine Facette des Sprecherdaseins, die ich sehr, sehr gerne tief ausloten möchte. Mich reizen auch die etwas sachlicheren Bereiche, die unter Erklärfilm, Imagefilm, Voice-Over und Dokumentation zusammengefasst werden.
Die Realfilmsynchronarbeit war nur mal ein Ausflug, um es auszutesten. Aber mir fehlt da nicht nur die schauspielerische Ausbildung, um mich tiefer hinein zu begeben. Das können die Profis unendlich viel besser. Das brauche ich nicht zum Glücklichsein.
Film? Mein Bruder sagt, ich hätte genau das richtige Gesicht für »hinter der Kamera«. Ich finde, damit trifft er den Nagel ziemlich auf den Kopf.
Theater ... hm. Das ist eine Arbeit, die sich lohnt. Aber darüber denke ich nicht nach.

Wie bereitest Du Dich auf die Aufnahme eines Hörbuches vor?
Omid-Paul Eftekhari: Zu allererst ist das Buch ganz normale Lektüre für mich. Ich lese es möglichst unvoreingenommen einmal komplett und still. Dann beim zweiten Lesen lasse ich mir viel Zeit, die Bilder klar zu entwickeln: Bilder von den beschriebenen Personen und Orten: Wie sehen sie aus? Wie sprechen sie? Wie bewegen sie sich? In welchem Omid Paul Eftekhariräumlichen Abstand stehen sie in ihrer Interaktion? Welcher Kommunikationstyp wird jeweils angedeutet? Wie sehen die Orte aus? Zum Beispiel eine Kneipe, eine Singlewohnung, ein Kinderzimmer, der Wald, Industrieanlagen, Spielplätze, Straßenzüge?
Bei diesem zweiten Herangehen an den Stoff wird mein Blick darauf sehr detailliert und szenisch. Und im Verlauf dessen finden dann das Grundtempo, der Grundton, die einzelnen Stimmen ihren Weg in mein Ohr, ihre hörbaren Haltungen. Und vor allem das nicht Ausgesprochene, die innere Haltung, alles zwischen den Zeilen ist mir wichtig. Das alles versuche ich klarzukriegen und gegebenenfalls in verschiedenen Stimmen oder Stimmungen auszudrücken.
Bisher finde ich es jedoch spannender, die innere Haltung, das »Zwischen den Zeilen« herauszuarbeiten. Da kommt die stimmliche Varianz bisher noch nicht so zum Tragen. Das können einige der Großen des Fachs erheblich besser. Ist auch nicht einfach, die stimmlichen Unterschiede stringent durchzuhalten, sich nicht in der Oberflächlichkeit der stimmlichen Varianz zu verlieren, sondern keine der Figuren der Lächerlichkeit preis zu geben und dabei durchgehend glaubwürdig zu sein! Hut ab vor Johannes Steck zum Beispiel, der das so souverän und unaufdringlich und mit einer Lust beherrscht wie kaum ein Zweiter. Na gut, Uwe Teschner ist auch sehr cool.

Anders als andere Hörbuchsprecher, die Dialoge stimmlich absetzen, verzichtest Du weitestgehend darauf. Wieso?
Omid-Paul Eftekhari: Wie gesagt, hierin überlasse ich das Feld den Spezialisten. Noch. Noch versuche ich, erstmal das innere Spiel zu entwickeln - und von der Haltung her mich den Figuren und ihrer Beziehungen untereinander zu nähern. Dann sind nämlich nur kleine stimmliche Veränderungen zur Unterscheidbarkeit notwendig und ich kann mich auf die Geschichte konzentrieren, statt mich im stimmlichen Spiel zu verlieren. Das macht einen erheblichen Teil meiner Authentizität und Wahrhaftigkeit aus. Ich kann stimmlich mehr bei mir bleiben und trete gleichzeitig weiter in den Hintergrund, um die Geschichte zu erzählen. Denn darum geht es.
Ganz große Vorbilder sind hier zum Beispiel Gert Heidenreich, Christian Rode, Hans Paetsch und David Nathan. In der Wahl meiner Vorbilder bin ich wählerisch.

Wenn ich das richtig sehe, hast Du bisher überwiegend Thriller eingelesen. Ist das ein von Dir bevorzugtes Genre? Oder stehst Du für alle Genres als Hörbuchsprecher zur Verfügung?
Omid-Paul Eftekhari: Es hat sich seit März dieses Jahres so ergeben, dass gleich zu Beginn zwei Agententhriller und zwei Krimis für mich auf dem Programm standen. Das ist schon eine Herausforderung! Großes, großes Dankeschön an Ines Zimzinski, Stanley Schäfer und Cihat Celik!
Fest eingeschossen bin ich allerdings nicht auf dieses Genre. Ich habe vor allem Freude an intelligent und handwerklich gut geschriebenen Texten. Mir geht es um's Erzählen einer Geschichte. Wenn die Geschichte gut geschrieben ist, die Figuren gut gegriffen und entwickelt, erzählt sie sich ja fast von selbst, ganz gleich welchen Genres. Ich bin nur Vermittler.
Es gibt für mich noch so viel zu entdecken und ich habe große, große Lust darauf. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang meine »Edition Prometheus« im Verlag der Hörbuchmanufaktur Berlin, in der ich Literatur zum Klingen bringen möchte, die mir persönlich ganz besonders am Herzen liegt und für die sich Verlage aus kommerziell nachvollziehbaren Gründen nicht soooo gern hergeben. Da wird es hoffentlich noch in diesem Jahr die erste(n) Veröffentlichung(en) geben.

Was liest Du persönlich am liebsten?
Omid-Paul Eftekhari: Intelligent geschriebene Literatur, bei der man das Herzblut, die Ernsthaftigkeit und den Humor und die Lust des Autors spürt. Das kann ein guter Krimi sein, ein politischer Krimi, ein Gesellschaftsroman, ein Roman der Scheibenwelt, allgemein Klassiker, auch Lyrik mag ich sehr.
Horror und Blutrünstiges und übermäßige Ekelhaftigkeiten halte ich persönlich nur schlecht aus, sowohl gelesen und gehört als auch als Film. Aber bis dahin gibt es noch genügend andere Genres zu entdecken. Ich mag auch Utopien, Dystopien und Fantasy. Zu letzteren und zu Romanen mit historischen Bezügen finde ich einen leichten Zugang.
Elizabeth Kostovas »Der Historiker« konnte ich beim ersten Mal nur während der vollen Tageslichtphase lesen. Mit einsetzender Dämmerung war's aus. Ich habe den Wechsel der Tageszeit beim Lesen des »Historikers« drei oder viermal verpennt und bin jedes Mal über die Dunkelheit total erschrocken. Bin schon auch ein Softie. :-)

Was macht für Dich einen guten Krimi oder Thriller aus?
Omid-Paul Eftekhari: Wenn es die Geschichte schafft, dass ich mich nur für absolut notwendige Pausen, dem Bedürfnis nach Frischluft oder unüberwindbarer Müdigkeit oder meiner Familie zu Liebe vom Buch löse. Dann ist es gut.
Omid Paul EftekhariIch mag es, wenn zum Beispiel wie bei »Die Mädchenwiese« verschiedene Erzählstränge parallel laufen und sich erst nach und nach die Verbindung zueinander langsam klärt. Wenn ich ein paar mal auf's Glatteis geführt werde, was Täterschaft, Verbindungen und Motive angeht. Wenn genügend Raum der Entwicklung der Figuren und Stimmungen gegeben wird, abseits des stringenten Plots. Und der Schluss darf gerne relativ kurz und erlösend sein, nicht so’n ewiges Gefrickel.

Hat Dir »Die Mädchenwiese« Spaß bereitet?
Omid-Paul Eftekhari: Yesss! Big time!!!

Was hat Dir an »Die Mädchenwiese« am besten gefallen?
Omid-Paul Eftekhari: Die Geschichte ist nach meinem naiven Verstehen einfach sehr nah bei mir als Leser, an einem nachvollziehbaren Alltag, dem, was mir möglicherweise im Alltag an Menschen begegnet. Die Figuren sind echt und verständlich. Die Abgründe sind nachvollziehbar. Der Mensch ist nunmal auch das fürchterlichste Wesen auf dieser Erde. Er ist vernunftbegabt aber nicht vernünftig.
Mir gefällt sehr, dass eine ausgewählte Figur sich in einer anderen Erzählperspektive als alle anderen entwickelt. Das macht es sehr angenehm und abwechslungsreich für mich als Erzähler, weil ich dadurch sehr unterschiedlich in Nähe und Distanz zu den Figuren, zu den Erlebnissen gehen kann und den Hörer enger oder mit etwas mehr Abstand oder mehr Anteilnahme durch die Geschichte oder auch auf falsche Fährten führen kann.

Spreewald oder Berlin? Was wäre eher Deines? Und warum?
Omid-Paul Eftekhari: Berlin ist geil! Die Abwechslung und Möglichkeiten, die ich in Berlin erlebt habe, sind einerseits schon sehr faszinierend. Glück und Elend so dicht und vielschichtig beieinander sind für einen beobachtenden Menschen wie mich echt krass anziehend.
Auf der anderen Seite bin ich ein Landei und liebe die »Ruhe« und Abgeschiedenheit der unmittelbar zugänglichen Natur, in der ich am Besten wieder zur Ruhe komme, neue Kräfte sammle und Ideen entwickle. Den Spreewald kann ich nach »Die Mädchenwiese« wahrscheinlich nicht mehr ohne unterschwellige Gedanken an die Geschichte unbefangen betrachten. Aber er steht definitiv auf meiner to-do/to-see-Liste. (Ick will doch endlich wissen, wie »Fielmeister’s Beste« schmecken, Mensch! Und Schweinebraten will ick. Schweinebraten!)

Hörbücher - gelesen von Omid Paul Eftekhari (Auswahl)
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